[#]Lektoratsgeplauder
[#]Schreibtipp
Das scheint manchen Autor*innen häufiger zu passieren beim personalen Erzähler: Der #Perspektivbruch.
Beispiel:
Protagonist Alex (unser personaler Erzähler) ist in Sabine verknallt und schmachtet sie heimlich an.
Ein Perspektivbruch wäre nun z.B. folgendes:
Sabine fühlt, wie sie rot wird, jedes Mal, wenn Alex sie ansieht. Außerdem bekommt sie so ein Flattern im Magen, wie von Schmetterlingen.
Was genau daran ein Perspektivbruch?
Auflösung folgt in Toot 2.
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Alex, unser personaler Erzähler, kann zwar sehen, dass Sabine rot wird, aber er kann nicht wissen, dass in ihrem Magen die metaphorischen Schmetterlinge flattern, wenn er sie ansieht. Er kann nicht ihre Gedanken lesen (es sei denn, er ist ein übernatürliches Wesen mit entsprechenden Fähigkeiten, aber darum geht es hier nun nicht 😉 ). Er kann nur vermuten, was in ihr vorgeht.
Passender wäre also hier z.B.:
Sabine wurde ein bisschen rot, als Alex sie ansah. Oder bildete er sich das nur ein?
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@amalia12 Demnach soll die Erzählperspektive in diesem Beispiel durchgängig auf Alex fixiert bleiben?
Als Leser hätte ich es intuitiv als Schwenk zur Multiperspektive interpretiert, weil plötzlich in gleich doppelter Form von Sabines Gefühlen die Rede ist. Das würde ich akzeptieren, nun aber erwarten, dass der Fortgang der Geschichte abwechselnd aus den Blickwinkeln beider geschildert wird.
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@moranaga
Ja, so war es gemeint, die Erzählperspektive ist hier ausschließlich bei Alex.
Multiperspektiven oder ein allwissender Erzähler, das gibt es natürlich auch, aber das meinte ich hier nicht, deshalb habe ich von personaler Erzähler gesprochen.
Häufig ist es auch so, dass sich Erzählperspektiven abwechseln:
In diesem Beispiel könnte das so aussehen, dass es Kapitel aus Alex' Sicht gibt und Kapitel aus Sabines Sicht.
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@moranaga
Romane mit sehr vielen verschiedenen Perspektiven sind eher unbeliebt auf dem deutschen Buchmarkt, ist mein Eindruck. Eine Verlegerin hat mir mal für einen Roman eine dritte Perspektive ausgeredet, also bin ich bei zwei geblieben, wie in bisherigen Bänden der Reihe.
Klar, es gibt sicherlich auch experimentelle Literatur, mit zahlreichen Perspektiven, aber besonders verbreitet ist das nicht.
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@amalia12 Danke schön, für beides (bzw. alles)!
Damit hatte ich die Ausrichtung im ersten Moment ganz wie beabsichtigt aufgefasst - bis mich meine willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit einholte.
Die Beschränkung der Perspektivenzahl im Deutschen ist mir nie bewusst aufgefallen. Allerdings lese ich überwiegend englische Literatur. Das ist interessant; ich werde bei den nächsten Büchern stärker darauf achten.
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@amalia12 @moranaga
Unklare Perspektive (o. zu viele abwechselnd) wirkt auf mich als Leserin so, als ob Autor*in sich nicht selbst richtig in die eigenen Figuren rein versetzen kann.
Wenn gekonnt u. wohl überlegt mit Perspektiven gespielt wird, ist es super - das muss dann aber sehr sehr sauber entworfen und ausgeführt werden. Sonst wirkt es ... nicht professionell und reisst aus dem Lesefluss.
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@amalia12 @moranaga
Schöne Beispiele für Sonderfälle:
Charles Stross "Halting State" (d: "Du bist tot").
Drei Protagonisten. In die man hineinversetzt wird mit "zweiter Person". Sehr gewöhnungsbedürftig, passt aber hier super, weil es um Spiele-Welten geht.
So fängt die Handlung aus Sicht von Polizistin "Sue" an:
"You're four hours into your shift, decomposing from two weeks of working nights supervising clean-up after drunken fights on Lothian Road and domestics in Craighlockhurt."
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@bergamlaimerin @moranaga
Ich persönlich tue mich sehr schwer mit der "Du"-Perspektive, aber das ist sicherlich Geschmackssache oder eine Frage der Gewöhnung.
Es gibt auch Fanfiction, die damit arbeitet. Wer weiß, vielleicht ist das sogar aus diesem Bereich gekommen. Oder aus dem Gaming-Bereich, falls es dort auch die Du-Perspektive in Erzählspielen gibt. (Ich kenne mich überhaupt nicht aus mit Gaming, ich spiele keine Computerspiele. Es ist nur eine Vermutung.)
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@amalia12 @moranaga
Ich bin auch kein Gamer, aber wenn man Computer spielt, dann handelt man ja durch Figuren durch, schlüpft in ihre Rolle. Da passt das denke ich ganz gut.
Bei ganz vielen anderen Genres kann ich mir das weniger gut vorstellen.
Charles Stross ist aber auch ein sehr experimentierfreudiger und wandlungsfähiger Autor, der schreibt nicht alle Bücher mit der selben Perspektive.
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@bergamlaimerin @amalia12 Charles Stross. 🙂 Er ist ebenfalls hier, als cstross @ wandering.shop - aber das weißt du bestimmt. Ich folge ihm nicht von ganz ungefähr.
Das englische "you" hat für mich einen etwas anderen Klang als das deutsche. Auf mich wirkt es wie eine Mischung aus distanzierterer Ich- und auktorialer Perspektive.
Um mit einem Gaming-Begriff zu argumentieren, recht ähnlich einer isometrischen Darstellung. Dicht am Avatar, aber davon losgelöst (eben nicht "ich selbst"): darüber.
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@bergamlaimerin @amalia12 Sue säße am Tresen einer hypothetischen Kneipe und erzählte einer Kollegin beispielsweise ihre Geschichte: "Versetz dich mal in diese Situation, du ..." - Auktoriale Anteile hat ihre Schilderung deswegen, weil sie sie in Gänze durchlebt hat, mit allen Beteiligten sprach und das Ende bereits kennt.
So würde der geschilderte Beginn auf mich wirken (ich habe das Buch noch nicht gelesen). Als Projektion in eine Spielewelt funktionierte es aber ebenso.
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@bergamlaimerin @amalia12 Und ich habe nachgesehen. Jemand, der oft mit Multiperspektiven arbeitet, ist George R. R. Martin: https://awoiaf.westeros.org/index.php/POV_character
Mich verwundert das nicht, das gesamte "Lied von Eis und Feuer" wirkt über weite Strecken hinweg eher wie ein Drehbuch als ein Roman.
Ein weiteres Beispiel ist Tolkiens "The Lord of the Rings", das aus sieben oder acht Perspektiven geschildert wird.
Vielleicht stammte mein Eindruck, Multiperspektiven als "normal" zu empfinden, daher.
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@moranaga @amalia12
Die Perspektiven wechseln aber glaube ich nicht wild mitten im Absatz, sondern mit den Kapiteln - oder erinnere ich mich falsch?
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@bergamlaimerin @moranaga
Es gibt einen Begriff für das wilde Wechseln von Perspektiven mitten in Absätzen: Headhopping. Weil den Autor*innen manchmal selbst nicht bewusst ist beim Schreiben, in wessen Kopf/Gedankenwelt/Emotionen sie da gerade schauen.
Headhopping sollte entsprechend vermieden werden. Es sei denn, das ist aus irgendwelchen Gründen die pure Absicht, wie bei experimentellen Texten.
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